Kann man für einen Monat, in dem etwas so schreckliches wie in Paris passiert ist, in dem soviel passiert ist, überhaupt noch über Bücher schreiben? Und ob man kann. Man muss sogar, um gegen solche barbarischen Taten anzuschreiben und um zu zeigen, dass man sich nicht unterkriegen lässt. Das haben im November auch die Literaturblogger gezeigt und für mein Gefühl mehr denn je gelesen und darüber geschrieben. Es kann zwar auch an der nun anbrechenden dunklen Jahreszeit liegen, aber man wird das Gefühl nicht los, dass viele eine Art Zuflucht oder Hilfe in der Literatur suchen und sicher auch finden.
Bei einem Blick zurück ist natürlich auch ein Auge nach vorn gerichtet und da naht nun mit großen Schritten das Weihnachtsfest. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht bei den diversen jeden Tag ein Türchen beziehungsweise einen Beitrag veröffentlichen beteiligen. Dafür habe ich einfach nicht die Zeit. Aber ich werde euch für den November etwas mehr Bloggerbeiträge oder Zeitungsartikel verlinken, damit ihr bis Weihnachten mit gutem Material und vielleicht auch Tipps für die Bescherung versorgt seit. Bevor es losgeht noch ein kleiner Ausblick auf den Dezember. Diesen Sonntagsleser, der sicher erst im neuen Jahr erscheinen wird, werde ich als eine Art Bestandsaufnahme des Jahres 2015 anfertigen. Sozusagen eine Sammlung der in meinen Augen besten Beiträge des vergangenen Jahres und noch ein paar, die mir im Dezember aufgefallen sind.
Die Raumzeit hat Rücken, da sie von der Gravitation so gebogen wird
Anlässlich des 100.Geburtstages der Relativitätstheorie hat sich Jochen von Lustauflesen.de etwas im Allgemeinen vorgestellt. Ganz ohne Dilletation hat er euch 2 Bücher vorgestellt, die sich mit Einsteins Theorie beschäftigen. Dabei muss man nicht mal Mathe studiert haben, um da durchzusehen. Ein Büchlein ist vom Maestro selbst, der seine eigene Theorie ganz ohne Firlefanz für die Allgemeinheit festhalten wollte. Das zweite Buch ist von Max Born und ist mit etwas Mathematik angereichert, aber so dass man sich nicht überfordert fühlen sollte (ich hoffe nur, dass keine Tensoralgebra drin vorkommt). Werde mir als Ing. und Interessent der Relativitätstheorie diese beiden Bücher merken.
Richard Lorenz – mein ganz persönlicher Durchstarter in 2015
Das Buch von ihm, welches ich von ihm dieses Jahr gelesen habe, schwirrt mir immer noch im Kopf herum und das neue Werk steht auch schon in den Startlöchern. Die Zeit bis dahin kann man sich mit einem Artikel über ihn im Fink-Magazin vertreiben und mit der Vorstellung seines Bücherregals, welches er auf dem Blog von edel&electric.
An der Realitätskante die Finger blutig geschnitten
Thursdaynext stellt uns auf Feiner Reiner Buchstoff das Buch „Bleeding Edge“ von Thomas Pynchon vor. Ein Buch bei dem man am Ball bleiben muss und am Ende enttäuscht ist – weil es nicht weitergeht.
So ergibt sich für den, der es mit genügend Aufmerksamkeit bis zum Ende des Romans schafft – Pynchon eignet sich absolut nicht für flüchtiges nebenbei Konsumieren – dass er plötzlich entrüstet feststellt, das Buch hört einfach auf, und egal wie stimmig und passend das Ende ist – das ist es – hier bleibt die begeisterte Leserin ein wenig vergrätzt zurück, denn Maxine (Hauptperson, Anm. d. Blogbetreibers) weiterzubegleiten, in die Pynchonsche virtuelle Realität einzutauchen wird fehlen, genauso wie Maxine.
Roadtrip mit Fitzgerald
Mit „Die Straße der Pfirsiche“ stellt uns Zimtträumereien einen Roman vor, der auf wahren Erfahrungen von F.Scott Fitzgerald beruht, aber trotzdem ein Roman ist. Einen erfrischenden Trip im Herzen Amerikas mit einer Schrottkarre und 2 liebenswerten Protagonisten.
So, wie sich die Besprechung liest, ein Buch, welches den Sommer im Winter wieder auferstehen lässt.
Nehmt dieses Buch in die Hand und lasst euch unbeschwert auf diesen Roadtrip mitnehmen. Genießt den Fahrtwind und all die kleinen Strapazen und Turbulenzen, während ihr den Duft der Pfirsiche in der Nase habt.
Bibliophile Schätze
Neben „Das Schiff des Theseus“, welches gerade in aller Munde ist, stellt uns Tobi von Lesestunden noch eine andere bibliophile Schatztruhe vor. „Die Zukunft des Mars“ von Georg Klein scheint eines dieser Bücher zu sein, die sich einerseits schön anschauen lassen, deren Design in der Geschichte ihren Fortklang finden. Schaut einfach mal bei Tobi vorbei. Da erfahrt ihr auch ein bisschen was über den Inhalt.
Dieses optisch wunderschöne Buch ist ein Meisterwerk der Buchkunst. Gestaltung, Farbe, Schriftart und Covergestaltung harmonieren mit dem Inhalt und spiegeln ihn auf kunstvolle Art und Weise wieder. Inhaltlich wird hier eine angenehm zu lesende Dystopie geboten, die mit einer ganz eigenen Stimmung aufwartet, die irgendwie postapokalyptisch, gemütlich, unwirtlich, bedrohlich und versöhnlich ist.
Überleben
Und noch einmal Jochen von Lustauflesen.de, der mit „Das große Heft“ von Ágota Kristóf einen sehr brutalen Roman bespricht, brutal im psychischen Sinn.
Ohne Wunde kommt man nicht heraus aus diesem Buch. Die Grausamkeit des Krieges wird nicht wegen ihrer Lautstärke, sondern ganz im Gegenteil wegen einer poetischen Stille im Text ohrenbetäubend. Beinahe eisig-kalt, mit mikroskopisch feiner Präzison hat Kristóf ihren Text von allen überflüssigen Bildern und Metaphern befreit. Geblieben ist eine Erzählung, deren Sätze immer wieder wie Sprengfallen im Kopf des Lesers explodieren. Und dennoch: Bei aller Gewalt, bei aller Brutalität und sexueller Perversion, die hier auf mich losgelassen wird, am Ende stelle ich fest: Das große Heft ist im Kern ein zartes Plädoyer für die Liebe und die Menschlichkeit.
Hohe Glücksansprüche
Kristine Bilkaus Roman „Die Glücklichen“ wurde vor allem im Frühjahr und Sommer oft besprochen. Nun hat Claudia von Über den Kastanien eine sehr umfangreiche Rezension nachgelegt, die mir sehr gut gefallen hat.
Für mich persönlich kam der Roman zur rechten Zeit, überzeugt hat er mich nicht nur durch seine Thematik, sondern durch die vielen ganz authentisch erzählten Szenen und die für mich überzeugende Darstellung der beginnenden Auflösung des
Konfliktes.
Tierkreiszeichen
Eleanor Cattons „Die Gestirne“ wurde diesen Monat gleich zweimal besprochen – letsreadsomebooks und aus.gelesen widmeten sich diesem Mammutwerk (über 1000 Seiten). Beide kommen zu einem relativ ähnlichen Fazit, aber lest selbst.
Weltliteratur
Die findet ihr diesmal bei Muromez, der Alexander Solschenizyns Werk „Der Archipel Gulag“ vorstellt und damit eine Zeit der Denunzierungen und Deportierungen, der Zeit in der politische Gegner im Russland zu Stalins Zeit einfach in Lager verfrachtet wurden, um sie zu beseitigen. Dabei war jedes Mittel recht. Ein bedrückendes Zeitdokument.
Es ist nahezu unmöglich, dieses historische Hauptwerk in einem Rutsch durchzublättern. Dafür ist dieses unglaubliche Dokument zu dicht, mit zu vielen Verweisen versehen und vor allem als Chronik zu wertvoll – es hat Zeit und einen klaren Kopf verdient, muss reifen wie mit ihm der Leser, der gleichzeitig selbst zum Zeugen wird und froh darüber ist, dass er das, was er denkt, fühlt und meint, aussprechen darf. Ohne Hemmungen. Ohne Strafe. Ohne den Paragraphen 58.
Wuff Wuff
Judith Holofernes dürfte jedem Musikkenner ein Begriff sein. Nun hat sie ein Buch geschrieben, welches uns Katja auf aboutsomething vorstellt. In „Du bellst vor dem falschen Baum“ setzt sich die Frontfrau von Wir sind Helden mit der Tierwelt in Reimform auseinander. Scheint ein lustiges Büchlein zu sein.
Ich kann nicht erkennen, wieso man in einer Welt, die so tod-ernst ist, nicht ein wenig mehr Verspieltheit und Albernheit gebrauchen könnte. Wer Kind im Herzen ist und dieses Buch aufschlägt, wird in eine eigene wunderbar-skurrile Welt entführt. Es macht großen Spaß sich darin zu bewegen und laut vorlesend durchzuwuseln. Und es tut einfach mal gut, die große Botschaft und den tieferen Sinn beiseite zulegen und sich kichernd zu winden. Ich freu mich, dass es auch andere Menschen gibt, die so verspielt sind wie ich – es gibt auf der Welt nicht bloß die große Philosophie, es gibt eben auch völlig putzige Tiere. Wer darüber nicht zumindest schmunzeln kann, der tut mir irgendwie leid.
So viele Bücher
Sophie von Literaturen stellt uns mit „Das Haus der zwanzigtausend Bücher“ von Sasha Abramsky ebenfalls eine Art Zeitdokument vor, da der Autor über seinen Großvater als großen Büchernarr schreibt und dabei auch die Vergangenheit seiner Familie, die jüdische Wurzeln hat, mit einbezieht.
Es erzählt von Brüchen, Irrtümern, Sehnsüchten und Leidenschaften eines bewegten 20.Jahrhunderts, dessen bedeutende Akteure sich alle in der einen oder anderen Form im Londoner Hillway präsent zeigten: sei es in papierener oder leibhaftiger Form. Chimen Abramsky war ein Ausnahmeintellektueller, dessen Leben nicht nur ein von Bibliophilie, sondern auch von Emigration geprägtes war, eines der lebenslangen Suche.
In der Kürze liegt die Würze
Und nun noch ein paar Links in Kurzform
Bei Zeichen&Zeiten ist der Riese begraben.
Das Debüt liebt die Nachtstunden.
Die Krimilese präsentiert den Thrill im Auge des 2.Weltkrieges.
Caterina von Schöne Seiten lässt die Bastarde los.
Bei den Phantasienreisen gibt es den“kleinsten Kuss der Welt“.
Bloggen und Alltag beschäftigte das Papiergeflüster (und nicht nur sie).
Ein Interview mit Mara von buzzaldrins.
Und 10 Dinge, die man für das Bloggen braucht, präsentiert euch Herzpotential.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen 2.Advent und eine schöne Weihnachtszeit.
P.S.: Heute streue ich noch etwas Werbung mit ein, denn ich habe jemanden zum Bloggen animiert, die auch noch einen wunderbaren Shop bei Dawanda unterhält. Vielleicht findet ihr da noch Anregungen für ein paar Geschenke. Schaut einfach mal bei PlanetSuevorbei.
Ohhh vielen Dank lieber Marc für deine Erwähnung! :-)
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Habe ich doch gern gemacht ;-)
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Lieben Dank für die Verlinkung. Leider schaffe ich es nicht mehr bei der „Sonntagsleserei“ mit zu machen, aber den Tipps folge ich gerne. Viele Grüße von Claudia
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Es war auch ein bemerkenswerter Beitrag von dir.
Die Sonntagsleserei ist auch eine ganz schöne Schufterei. Bin froh, dass ich es auf eine monatliche Veröffentlichung hin reduziert habe.
Viele Grüße
Marc
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Vielen Dank für die doppelte Erwähnung und Verlinkung in diesem »Sonntagsleser«. lg_jochen
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Immer wieder gern und auch danke nochmal für das Aufmerksam machen auf die Bücher zu Relativitätstheorie.
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Vielen Dank für Verlinkung und für all die Tipps! Manche Beiträge kannte ich schon, andere noch nicht. Außerdem habe ich dank dir festgestellt, dass der WordPress-Reader mir mal wieder etwas vorenthalten hat (den Artikel auf Über den Kastanien hat er mir tatsächlich verheimlicht).
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Ist mir auch schon aufgefallen, dass manche Beiträge „geschluckt“ werden. Dann ist es ja gut, wenn wir als Sonntagsleser solche Beiträge erwischen.
Viele Grüße
Marc
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