[Debütpreis 2017] [Rezension]: Simon Strauß – Sieben Nächte

Versündige dich und du weißt, was dir die Zukunft bringt

Sieben Nächte
Cover © Blumenbar Verlag

Ein Buch über die sieben Todsünden spricht mich im erweiterten Sinne erst einmal an, da man aus diesem Thema sehr viel heraus holen könnte. Seit dem Film Sieben beschäftigen mich diese Dinge mal mehr mal weniger, aber sie sind irgendwie immer unterschwellig in meinem Geist präsent und sei es nur, um seine eigenen, kleinen Entscheidungen zu überdenken.
Könnte ist ein Stichwort für das vorliegende Buch. So dachte ich, dass es sich ernsthaft mit dem Thema auseinander setzt. Dass dieses Buch im zurückliegenden Sommer wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben wurde, habe ich zwar am Rande mitbekommen, mich aber kaum dafür interessiert. Erst durch den Debütpreis und das Anlesen der Leseprobe bin ich richtig auf den Inhalt aufmerksam geworden. Doch es war in meinen Augen ein Schuss in den Ofen, dafür wurde zu unausgegoren mit dem Thema umgegangen. Die sieben Todsünden sind zwar Thema, aber das nicht sehr stringent oder in irgend einem Zusammenhang gesetzt. Vielmehr werden sie in sich geschlossen in sieben kurzen Kapiteln abgehandelt und ehe man sich versieht ist man auch schon wieder entlassen und hat tausend Fragezeichen über dem Kopf. Zwei davon sind bei mir: Wie kann so etwas als Buch zugelassen werden? Hat da vorher keine drüber geschaut und einfach gesagt „Nein, das wird so nicht veröffentlicht!“? Schade um die Zeit, die man damit zugebracht hat. Einzig die Kürze kann man dem Buch zugutehalten, denn so musste man sich nicht lange damit herumplagen.

Ein Unbekannter hat die Aufgabe bekommen, sich seinem Leben, seiner Zukunft zu stellen. Dafür soll er über sich hinaus wachsen, Dinge tun, die er unter normalen Umständen nicht tun würde. Er soll sieben Nächte lang Aufgaben ausführen, die er von einem ihm fremden Mann erhält. Seine Erfahrungen soll er schriftlich protokollieren und dem Fremden zukommen lassen. So geht der uns Unbekannte sieben Nächte lang auf Streifzug durch seine Stadt, die ebenfalls nicht näher beleuchtet wird, es könnte Berlin oder Hamburg sein, überall ist es möglich. Der Protagonist stürzt sich von Häusern, frisst sich durch Speisekarten, ist bei einer geheimen Feier inklusive Darkroom dabei und noch einiges mehr. Er durchlebt alle sieben Todsünden auf seine Weise. Als Epilog wird der Fremde zu Wort kommen, der die vorliegenden Erfahrungen des gesichtslosen Hauptcharakters bilanziert und versucht, diese auf sein Leben zu übertragen, was ihm nicht möglich erscheint.

Was war das bitte? In meinen Augen eine Zumutung, ein exerzieren von Wortgewandheit von Sprachakrobatik, mehr aber auch nicht. Im Entfernten hat der Autor die sieben Todsünden gestreift und durch seinen Unbekannten durchleben lassen, doch Erkenntnis, was ihm oder uns als Leser das bringt, will sich nicht einstellen. Vielmehr schüttele ich fassungslos darüber den Kopf über welch sinnlosen Probleme man sich als Mittzwanziger wohl heutzutage herumplagen muss, wie es in dieser Geschichte thematisiert wird. Diese Zeit, wenn sich entscheidet, wohin der Pfad einen führt, ist bei mir auch noch nicht so lange her, aber so ein heulsuserisches Herumgetanze um den heißen Brei, nur um sich ja nicht entscheiden zu müssen, lässt bei mir einfach nur den Kopf schütteln. Ja Mensch, es ist nicht einfach heutzutage bei den ganzen Möglichkeiten, sich entscheiden zu müssen, sich auf einen Weg einzulassen. Und auch wenn die Entscheidung getroffen wurde, ist es nicht immer einfach, damit zu leben. Aber steh dazu, was dich ausmacht, denn deine Entscheidungen stehen für deine Persönlichkeit. Das was in diesem Buch dargestellt wird, ist in meinen Augen eher gefährlich als wohltuend gutgemeint, denn wer nicht weiß, wohin die Reise gehen soll, steht noch mit Mitte Vierzig vor diesem Problem beziehungsweise hardert immer damit, was auch den Fremden dazu veranlasst, den unbekannten Hauptcharakter dieser Prüfung zu unterziehen.
Wenn sich durch ein Buch permanent ein Kopfschütteln durchzieht, weil jede Entscheidung, jede Handlung einfach nur hanebüchen daher kommt, kann ich es nicht guten Gewissens empfehlen. Das einzig Gute an diesem Buch war, dass es kurz war und damit auch wieder schnell beendet. 

Vielen Dank an dieser Stelle an den Blumenbarverlag, die mir über Netgalley dieses Buch in elektronischer Form für Besprechungszwecke zur Verfügung gestellt haben.

Weitere Rezensionen, die weitaus besseres oder ausgefeilteres zu diesem Buch zu sagen haben, findet ihr bei:

 

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7 Kommentare zu „[Debütpreis 2017] [Rezension]: Simon Strauß – Sieben Nächte

Gib deinen ab

  1. Lieber Marc, ich wollte das Buch ja gar nicht lesen – doch dank oder wegen der ganzen Diskussion darum, habe ich es mir aus der Bib geholt und bin gerade dabei und muss sagen, Du triffst es mit Deiner Besprechung punkt genau. Ich weiß nicht, ob ich was darüber machen werde, aber ich glaube, ich muss. LG, Bri

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  2. Mit Sieben Nächte konnte ich auch gar nichts anfangen. Dabei fand ich die Idee gut, die sieben Todsünden aufzugreifen. Doch als 50jährige konnte ich mit dem Gejammere, dass mit 30 das Leben vorbei ist nichts anfangen.

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    1. Hallo Eva,

      du legst ein Tempo vor 😳😊
      Da komme ich nicht hinterher. Bin aktuell an Reisinger dran, was Buch Nunmer 3 ist. Gelesen habe ich schon „Immer ist alles schön“ (sprachlich top, inhaltlich kann ich es noch nicht einschätzen) und „Oder Florida“ (eher umgangssprachlich, dafür politisch sehr aktuell)…
      Reisinger lässt sich gut an, fordert einen ähnlich zu Weber sprachlich ganz schön heraus. Bin auf deine Favoriten gespannt

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      1. Ja, ich lese eher zügig, habe die Juliana Kalnay https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/02/18/eine-kurze-chronik-des-allmaehlichenverschwindens/ aber schon im Februar gelesen und bezüglich meiner Favoriten bin ich hin- und hergeschwankt, wie das Blatt im Wind, weil das Rangreihen bei so heterogenen Texten nicht so einfach ist.
        Das heißt, zuerst habe ich mir gedacht, mache ich es mir einfach, nehme die poetisch anspruchsvollsvollen Texte und reihe Weber, Kalnay, Reisinger, was ich für den mir am wenigstens gelungenen Text halte, weil er mir zuviele Vorbilder enthielt, aber dann hätte ich die beiden realistischen Texte weglassen müßen und das hätte auch nicht gepasst.
        Also bin ich bei Julia Weber https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/11/24/immer-ist-alles-schoen/ geblieben, was ich nach wie vor für den besten Text halte, habe dann den DDR-Nachwenderoman nachgereiht und dem „Genie“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/11/30/das-genie/ einen Punkt gegeben.
        Da bleibt leider Juliana Kalnay über, aber vielleicht bekommt sie von den anderen den Zuschlag und „Liebwies“https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/10/26/liebwies/ natürlich und „Tierchen unlimited“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/02/20/tierchen-unlimites/, aber das ist ein anderer Kaffee.
        „Koslik ist krank“ werde ich noch lesen, aber vorerst ist noch Heinrich Böll daran, der ja bald hundert Jahre werden würde.
        Ist mein Mail mit der Leserundenbitte angekommen? Es würde folgenden Artikel betreffen https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/12/02/vor-dem-fruehstueck-kennt-dich-keiner/.

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  3. Guten Morgen Marc und einen wunderschönen 1. Advent!

    Ich muss dir jetzt einfach mal sagen, wie sehr ich deine Verrisse immer genieße! Ich lese es ebenso gern, wenn du deiner Enttäuschung über ein Buch Luft machst wie deiner Begeisterung. Danke also einfach mal an dieser Stelle für deine schonungslos offenen und persönlichen Leseberichte!

    „Sieben Nächte“ ist mir vor einigen Monaten auch regelmäßig begegnet, aber wie du hatte ich mich nie näher damit beschäftigt (es mir aber vorgenommen). Nachdem, was ich nun bei dir lese, habe ich bisher wohl auch wenig verpasst. Ich glaube, dass die Geschichte durchaus interessant sein kann und ihren eigenen Reiz hat, aber deine Kritikpunkte sind Dinge, mit denen auch ich arge Probleme hätte. Diese ganzen Schubladen und das Gejammere über oder von „Generation Y“ und „Millenials“ geht mir mittlerweile nur noch auf die Nerven und Personen oder Charaktere, die nicht wissen, was sie wollen (jetzt oder irgendwann) haben schon zu meiner Schulzeit meine Geduld strapaziert. Und wenn der Leser aus „Sieben Nächte“ dann noch mit einem Gefühl herausgeht, dass diese Taten mehr oder weniger sinnfrei waren, ist das mehr als nur unbefriedigend.

    Viele Grüße
    Kathrin

    Gefällt 1 Person

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