Eine Geschichte, schwebend wie eine Feder legt sie sich in den Kopf
Mit „Was dann nachher so schön fliegt“ hat Hilmar Kluter bei mir etwas geschafft, was ich nicht für möglich gehalten habe beziehungsweise was mir beim Lesen relativ selten passiert. Er hat eine lockerleichte Geschichte über das Werden geschrieben, so locker und luftig, dass einem ganz warm ums Herz wird. Ich kann bei diesem Buch nichts schlechtes finden. Es ist so selbstverständlich gut geworden, dass man automatisch nach dem Haar in der Suppe sucht, es aber nicht findet, jedenfalls ich habe keines gefunden (Frau Sigrid Löffler hat sich über das Buch zusammen mit anderen von Männern geschriebenen aber mächtig aufgeregt und viel Luft abgelassen). Lest es, lasst es euch entzücken und in eine Welt Ende der Achtziger entführen, in die etwas stickige Enge des Ruhrpotts und in das triste Grau des geteilten Berlins. Ihr werdet es nicht bereuen.
Zivi Tristesse gegen Dichteraufschwung
Volker Winterberg leistet seinen Zivildienst in einem Altenheim ab, Ende der Achtziger, im Ruhrpott, es ist grau, muffig, eng. Er erlebt dabei die Alten, die noch den Zweiten Weltkrieg in voller Blüte mitgemacht haben, und versucht sein bestmögliches, um diesen Menschen den Lebensabend so angenehm wie möglich zu gestalten. Das kann man von den festangestellten Mitarbeitern in dem Heim nicht unbedingt sagen, die eher rabiat und ohne Rücksicht mit diesen Menschen umgehen.
In seiner freien Zeit ist er vor allem als angehender Lyriker aktiv. Mit einigen seiner Gedichte hat er sich bei einem Berliner Wettbewerb beworben und wird zu dieser Veranstaltung eingeladen, was den anderen Part in diesem Buch ausmacht. Dazu muss er sich auf den Weg in das geteilte Berlin machen, um dort an einigen Veranstaltungen teilzunehmen. Er lernt mit Thomas und Katja zwei Menschen kennen, mit denen er intensiver in Kontakt gerät, aber auch andere illustre Gestalten kreuzen während der Berliner Tage seinen Weg. Er versucht, sich da zu orientieren und einzuordnen. Vieles wird in diesem Roman verhandelt, die Gruppe 47, Lyrik, viele berühmte Literaten kreuzen des LeserInnens Augen und der Pflegealltag wird beflissentlich aufs Korn genommen.
Ein Plot, wie selbstverständlich zusammen gezimmert
Hilmar Klute hat mit diesem Buch bei mir von nun an ein Stein im Brett und dabei habe ich mit Lyrik eigentlich so gut wie nichts am Hut. Diese ist jedoch schon des Titels wegen ein Hauptthema und das Betätigungsfeld der Hauptfigur, Volker Winterberg, aus dessen Sicht das komplette Buch geschrieben ist. Was hat mich dann also so umgehauen bei diesem Buch? Es war die Stimmung, die mich durch dieses Buch getragen hat. Diese Art von Stimmung, die man mit Anfang 20 hat. Eine Zeit, in der man nicht richtig weiß, wohin es einen mal verschlagen wird, was man machen wird und ob das überhaupt alles Sinn ergibt. In genau dieser Phase steckt der Hauptprotagonist und auch wenn vieles von dem Beschriebenen meine eigene Lebenswelt nicht berührt und diese Zeit bei mir nun auch schon Zwanzig Jahre her ist, so hat es der Autor geschafft, genau diese Art Stimmung wieder hervor zu holen, diese Zeit wieder lebendig werden zu lassen in meinem Kopf. Doch auch abseits dessen hat er einfach eine richtig gute Geschichte geschrieben über einen jungen Mann, der am Anfang seiner Entscheidungen ist, dem die ganze Welt offen steht, der sich eigentlich im Klaren ist, wohin es mit ihm gehen soll, er nur nicht weiß, wo das passieren wird und vieles mehr. Nebenbei wird noch der Alltag in einer Altenpflegestation aus den Augen der Hauptfigur geschildert, der als Zivi nur einen kurzen Blick darauf werfen darf. All das verwebt Hilmar Klute zu einer Art melancholischer Melange, die einen wie in Watte gepackt umgibt. Um mal auf den sehr zynischen Verriss von Frau Löffler zurückzukommen: Ja, es werden keine aktuellen Probleme verhandelt, ja es ist ein Blick eines älteren Mannes zurück in die Achtziger, ja, man muss es nicht lesen, es aber gleich als Altherrenliteratur abzufertigen, die nichts anderes als den Blick zurück drauf hätten, ist ein wenig dünnhäutig formuliert und bei diesem Buch in meinen Augen völlig fehl am Platz. Wer dieses Buch nicht liest, dem entgeht ein sprachliches Feuerwerk, wie man es selten zu lesen bekommt. Da ist jeder Satz locker beschwingt und schwebt, wie der Buchtitel es vorgibt, wie von selbstverständlich vom Autor aufs Papier gebracht.
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