Ein schwieriges Unterfangen
Dieses Buch ist mir richtiggehend schwer gefallen und ich habe es abgebrochen, daher ist das Wörtchen „Rezension“ im Header des Artikels auch nicht richtig. Aber ein Verriss wird es auch nicht. Eine kleine Erkundung eines ambitionierten Romans. Am Anfang war ich eindeutig interessiert, kam sogar mit den verschlängelten Satzkonstrukten zurecht und war fasziniert von den niederträchtigen Geschichten die da standen. Doch das alles konnte mich nur bis zum ersten Drittel begeistern, denn danach legte sich ein richtiger Schleier (oder eine Folienbahn, um mit dem Inhalt des Buches zu sprechen) über das Geschehen. Es trat nur noch dumpf an mich heran und ich konnte nichts mehr damit anfangen. Grob geschrieben bekommt man eine Erzählung über das Leben eines Mannes erzählt, die er einem (seinem?) Kind erzählt/aufschreibt. So richtig klar wird das die ganze Zeit nicht. Zumindest bis zu dem Punkt an dem ich abgebrochen habe. Wir beginnen in der Jugend des Erzählers, bekommen Einblicke in sein Arbeitsleben, sein Liebesleben und wie er irgendwann allmählich in eine Richtung eines speziellen Theaters abdriftet. Dazu kommen noch gesellschaftliche Umbrüche, die wie der Umbruch in Richtung Drittes Reich anmuten, aber in einer anderen Zeit angesiedelt sind. Aber sind sie das wirklich? Oder sind sie überhaupt wahr? Alles wirkt so ungenau erzählt, ist nur mit Andeutungen gespickt, dass man sich nie sicher sein kann, in welchem Jetzt und Wo man genau steckt oder ob das alles nur im Kopf des Erzählers passiert ist .
Auch wenn ich das Buch abgebrochen habe, so finde ich es nicht schlecht. Es war mir einfach für diesen Moment zu viel, zu unstrukturiert und zu verschachtelt und ich konnte keinen richtigen Zugang dazu finden. Wie sich das alles zusammensetzt möchte ich im Folgenden erläutern.
Auf die Bretter der (Un)-Freiheit
Der Anfang des Buches ist noch eine halbwegs fortlaufende, zeitlich gut einzuordnende Geschichte, doch ab zirka der Hälfte war das vorbei. Da änderten sich die Perspektiven, neue Stimmen kommen ins Spiel, ein zweiter Erzählton wird angeschlagen, verschiedene Persönlichkeiten werden eingeführt und statt bei einem Folienproduzenten in die Führungsetage aufzusteigen, so wie der ursprüngliche Plan für den Erzähler war, kommt er ans Theater und ist ab sofort in diesem Kosmos gefangen, entwickelt dort mehrere Persönlichkeiten aus, trägt diese auch in sein Privatleben hinein. Spätestens ab da konnte ich mit dem Text nichts mehr anfangen, war abgehängt und las nur noch quer. Später brach ich ab, da mir durch das quer lesen der Zugang fehlte. Einen richtigen Punkt, an dem mir das Buch ins Unverständliche kippte, kann ich so gar nicht benennen. Es wurden einfach immer mehr Fragezeichen, die hinter noch mehr Schachtelsätzen verborgen lagen. Die Gedanken des Erzählers waren mir fremd, Namen gab es keine und somit wurde meine Orientierung im Buch immer mehr erschwert. Dazu kommt noch, dass mir einfach nicht klar war, wohin dieses Buch gehen wollte. Eine richtige Struktur war nicht zu erkennen.
Doch warum lest ihr hier dann keinen Verriss? Einfach weil das Buch objektiv betrachtet eigentlich gut aufgebaut ist. Es war jedoch für mich zu dem aktuellen Zeitpunkt nicht das richtige Buch. Liest man sich andere Besprechungen zu diesem Buch durch (siehe am Ende von diesem Beitrag), dann merkt man, dass sich alles sinnvoll aufbaut und einen Sinn ergibt, der sich erst zum Ende hin richtig erschließt. Da ich das Buch aber abgebrochen habe, kann ich diese Bewertung aktuell leider nicht teilen oder widerlegen. Vor allem die Sprache hat es mir mit zunehmender Lesedauer einfach schwer gemacht, in diese Geschichte zu finden. Da häufte sich Schachtelsatz an Schachtelsatz und verschleierte für mich immer mehr die Intention des Romans. Die Sätze waren gut ausformuliert und sprachlich auf einem hohen Niveau, das steht für mich außer Frage, aber es wollte für mich mit dem Inhalt nicht zusammen passen. Weniger Drechsel hätten dem Buch sicher auch gut zu Gesicht gestanden.
Ein ambitionierter Text
Ich würde diesen Roman als ambitioniert ansehen, da es wirklich nichts schlechtes war, was ich da gelesen habe, nur eben in der Form waren es fünf Schlenker zu viel. Der Text ist anspruchsvoll und hat Niveau, allerdings kann es schwer fallen, sich in dem Dickicht der Sätze zurecht zu finden und eine Struktur zu erkennen. Die Quintessenz des Textes, also das wo er hinwill, war mir fremd und ich konnte damit leider nichts anfangen. Gerade die Theatersequenzen, die mir auch in der präsentierten Grundidee überhaupt nichts sagten, haben mir dann endgültig den Zahn gezogen. Wenn ich eine Bewertung abgeben müsste, so fällt diese gemischt aus. Kein schlechtes Buch, aber wenn mich jemand fragen würde, könnte ich keine Empfehlung aussprechen.
Dieses Buch habe ich im Rahmen des Bloggerpreises zum besten Debüt 2020 gelesen und es wurde mir für diese Zwecke vom Duotinca Verlag zur Verfügung gestellt. Die Meinung zum Buch und die Bewertung für den Preis hat das nicht beeinflusst. Der Preis zum besten Debüt wird in diesem Jahr zum fünften Mal ausgerichtet und ich sitze zum vierten Mal in der Jury, um das beste Debüt zu ermitteln. Die Shortlist zu diesem Preis ist seit Ende November online und kann auf dem Blog Das Debüt eingesehen werden (siehe hier – klick). Auch wer in der Jury sitzt, wie dieser Preis zustande kam und wie das alles funktioniert, findet ihr auf den weiterführenden Seiten zu diesem Blog.
Die Besprechungen der anderen Jurymitglieder:
- Mikka liest das Leben
- Ruth Justen (doppelte Besprechung mit Elijas Lied)
- Schiefgelesen
- Leckere Kekse
- Literaturgeflüster