Der wahre Beginn einer langen Reise
Als Stephen King die Reihe um den Dunklen Turm mit seinem siebten Band 2005 beendete, musste ich tief durchatmen. Das Ende um Roland und seiner Suche nach dem Dunklen Turm, um diesen zu retten und damit auch seine Welt beziehungsweise alle Welten vor dem Untergang zu bewahren, war sehr nervenaufreibend und mit so viel Stoff zum Nachdenken versehen, das es für lange Zeit reichen sollte. Auch war mit diesem Abschluss eigentlich klar, dass da eigentlich nichts mehr kommen kann. Alles schien auserzählt und der Haupterzählungsbogen erschien abgeschlossen. Und doch hatten Stephen King, Robin Furth (Anm.: Sie hat die Bücher mit dem Hintergrundwissen zum Dunklen Turm geschrieben – Das Tor zum Dunklen Turm) und ein paar Enthusiasten bei der Comicschmiede Marvel noch nicht genug von Roland Deschain, Gilead, dem Bund der Revolvermänner und dem Krieg gegen John Farson. Und auch Stephen King als Autor nicht, der mit Wind noch einen achten Band zum Turmzyklus nachlegte und den ich aktuell lese.
Doch hier soll es um die Comics gehen. Es war die Zeit um 2007 oder 2008 herum, als diese Comics mir das erste Mal begegneten. Als Fan der Geschichten um den Dunklen Turm musste ich da natürlich diese Bücher sammeln. Es war ein wahres Freudenfest, wenn man die Geschichten von Roland Deschain mochte und erfahren wollte, was es mit den ganzen Erzählungen nun auf sich hat, die in den Büchern nur angedeutet wurden, die Rolands Jungend und den Untergang seiner Heimat betrafen. Diese Comicreihe geht tief in diese Mysterien ein und erzählt diese Andeutungen aus den Romanen aus und schließt so eine Wissenlücke, die Rolands Leben betrifft.

Die Suche beginnt in Meijs
Dem Ort Meijs begegnen wir als erstes im Buch Glas, als Roland und sein Ka-Tet um Alain und Cuthbert einen Auftrag ihrer Väter ausführen und nach Anzeichen von Verrat durch den Guten Mann John Farson Ausschau halten. Durch diverse Umstände geht dieses Vorhaben furchtbar schief und Roland hätte dort beinahe sein Leben gelassen (die Besprechung zu Glas findet ihr hier: klick). Der eigentliche Auftrag konnte somit nicht ausgeführt werden und die Pläne des Guten Mannes maximal verzögert, jedoch nicht vereitelt werden, aber es wurde die Saat gelegt, die Rolands Obsession werden sollte – die Suche nach dem Dunklen Turm. Der erste Band der Comicreihe erzählt dann die Geschichte aus Glas verkürzt und an bestimmten Stellen sogar anders erneut und baut dabei auch die Prüfung ein, die Roland zum Revolvermann werden lässt. Allerdings werden in diesem Band schon einige Punkte erzählt, die zukünftiges zumindest andeuten.
Ab dem zweiten Band wird dann die Geschichte erzählt, wie Roland mit seinem Ka-Tet den Weg nach Hause findet, Roland sich nicht von der Zauberkugel lösen kann, die ihm in Meijs in die Hände gefallen ist und die mit List und Tücke versehen ist. Es wird die Geschichte von Verrat erzählt, vom Krieg gegen den Guten Mann und wie dieser mit Mitteln der Infiltration und der Erpressung die Garde der Revolvermänner in die Knie zwingt. Einzig Roland, der vom Schicksal dazu auserkoren scheint, etwas Großes zu vollbringen, überlebt all diese Gräueltaten und Metzeleien, die unter den Revolvermännern angerichtet werden. Es erfolgt noch eine Überleitung zu der Geschichte, die im ersten Roman der Reihe erzählt wird, bevor die Comics endgültig die Romane wiedergeben. Diesen habe ich mich allerdings nicht mehr gewidmet und sie sind auch nicht mehr vollständig, denn mitten in der Geschichte, die den Roman Drei wiederspiegelt, kamen keine neuen Veröffentlichungen mehr nach. Außerdem wurden diese Reihen auch nicht mehr von Marvel veröffentlicht und wie ich in Foren nachgelesen hatte (Belege finde ich leider nicht mehr), nimmt die Qualität der Zeichnungen immer mehr ab und soll diesem dreckigen Look der Marvelcomics nicht mehr entsprechen.
Die Welt hat sich weiter gedreht
Dieser Spruch, der für einschneidende Veränderungen steht, passt nirgends so gut, wie für diese Comics, während wir sozusagen zuschauen dürfen, wie sich die Welt weiterdreht und die Zeitenwende in Mittwelt eingeläutet wird. Es geht um den Verrat an und die Vernichtung der Revolvermänner, die in Mittwelt für Recht und Ordnung sorgten. Eine Art Ritterorden, die statt mit Schwertern mit Revolvern für Gerechtigkeit sorgten. Sie werden als eine Art besonderer Menschen dargestellt, die spezielle Fähigkeiten besitzen, die sie vom normalen Volk „abheben“ und die trainiert werden müssen. Allerdings sind die Methoden, die diese Revolvermänner anwenden, nicht harmlos oder gar nobel. Sie sind vielmehr brutal und gnadenlos, jedoch immer gerecht. Diese Ansicht teilen jedoch nicht alle und diese schließen sich einem Mann namens John Farson an, der sie in einen Kriegt gegen diese Revolvermänner treibt. Doch hinter diesem John Farson steht ein noch viel größerer Widersacher, der noch größerere Ziele verfolgt. Es ist der Scharlachrote König mit seinem Gehilfen, dem Zauberer Marten Broadclock (oder Walter O’Dim oder Randall Flagg oder einfach der Mann in Schwarz), der am Hofe Gileads, dem Zentrum der Macht der Revolvermänner, einen mächtigen Posten inne hat und so das Zentrum von innen beeinflussen kann. Das Ziel dieser beiden „Männer“ liegt weit über der Vernichtung Gileads und den Niedergang Mittwelts. Sie wollen den Dunklen Turm zerstören und dabei ist dieser Schritt nur einer von vielen, um das große Ganze zu erreichen, denn Gilead ist ein wichtiger Baustein im Gefüge des Dunklen Turms.

Als es hieß, dass es zur Geschichte von Roland eine Fortsetzung in Comicform gibt, war ich damals sofort Feuer und Flamme. Der Zyklus im Buch war zwar auserzählt, aber es gab noch so viele Nebengeschichten, die nicht abgeschlossen waren und darauf warten erzählt zu werden. Allein, was Roland während der Reise mit seinem Ka-Tet rund um Susannah, Eddie und Jake alles an Stichworten und Nebenschauplätzen aufgemacht hat, ohne diese näher zu erklären, gab unendlich viele Möglichkeiten, mehr aus dieser und anderer Welten zu erfahren, die rund um Mittwelt und den Revolvermännern spielt. Stephen King hat mit der Reihe um den Dunklen Turm schlicht ein riesiges Potential geschaffen, aus diesem Universum noch mehr zu erzählen. Hier knüpfen die Comics an, indem sie die jungen Jahre von Roland Deschain aufgreifen und in düsteren, brutalen Szenen beschreiben, wie aus dem jungen, idealistischen und romantischen jungen Mann ein altes Raubein wird, der ohne mit der Wimper zu zucken Menschen opfert, die er eigentlich in sein Herz geschlossen hat, nur um sein Ziel zu erreichen, den Dunklen Turm zu erklimmen und alles zu retten, was er verloren hat. Und die Comics treffen dabei in diesen Bänden den richtigen Ton, um diese Düsternis und Brutalität zu zeigen. Es wird mit relativ dunklen Farben gezeichnet, vieles spielt sich im Schatten der Wahrnehmung ab, oftmals sogar surreal überzeichnet. Und doch sind diese Comics sehr brutal und explizit geraten, schauen nicht weg, wenn jemand erschossen oder erstochen wird, wenn jemand vergiftet zu Boden sinkt und sich die Eingeweide auskotzt. Diese Schmerzgrenze sollte einem beim Lesen dieser Bücher bewusst sein. Es ist somit keine „leichte“ Kost, die hier präsentiert wird, was aber allen, die die Bücher schon kennen, bewusst sein sollte. Jedoch ist es in den Comics um einige Grade brutaler als in den Büchern.
Aus der Asche des Schlachtfelds hinein in die Suche
Die Geschichte selbst, die sich über mehrere Comicbände erstreckt, ist sehr umfangreich und komplex erzählt. Sie wirkt aussichts- und gnadenlos und auch wenn man weiß, wie es kommen wird, fiebert man mit allen Figuren mit und bibbert um deren Überleben. Es ist schrecklich mit anzusehen, wie alles, wofür die Revolvermänner stehen, allen voran die Gerechtigkeit, immer mehr dem Niedergang geweiht ist und dieser Niedergang ist nicht aufzuhalten. Man sieht, wie die Revolvermänner blind in ihr Verderben rennen, allein im Glauben an ihre eigene Stärke, die aber durch die schärfste Waffe unterwandert wird, die im Krieg angewendet werden kann – den Verrat. Es schmerzt, mit zusehen zu müssen, wie liebgewonnene Figuren den Kampf nicht überleben und einzig Roland als eine Art Auserwählter aus der Asche des Schlachtfeldes emporsteigt, um als zornesgleicher Rächer die Welt wieder gerade rücken zu wollen. Wir erleben in diesen Comics also den Werdegang Rolands zu dem, den wir aus den Büchern kennen.
Die Geschichte ist für mich persönlich bis zu dem Grad stark erzählt, wo sie sich noch nicht an die Buchvorlage halten muss. Sogar die Kurzgeschichte „Die kleinen Schwestern von Eluria“, die in der Kurzgeschichtensammlung „Im Kabinett des Todes“ vorkommt, wirkt frisch und erzählerisch gut. Erst als die Comics den Anschluss an die Romanreihe finden und diese auf bildlichem Weg erneut erzählen, fangen die Comics an zu schwächeln. So war es mir bei „Battle of Tull“, die eine Episode aus dem ersten Buch „Schwarz“ erzählt so, als wäre die Möglichkeit der Graphic Novels hier an ihrem Ende angelangt. Auch hatte ich das Gefühl, dass die Macher*innen hinter den Comics nicht mehr so recht wussten, wohin mit dem Werk. So habe ich dann auch ab diesem Zeitpunkt die Comics nicht mehr gesammelt, das es mich nicht mehr interessierte, bereits bekanntes noch als Comic aufgewärmt vorgesetzt zu bekommen. Vielleicht überwog auch die Angst, dass die Geschichten, die man schon kennt, durch diese Veröffentlichungen nur noch verwässert werden konnten beziehungsweise, dass keine neuen Informationen auftauchen konnten oder diese verfälscht dargestellt wurden. So habe ich bis zu dem Band „Battle of Tull“ ein wahnsinnig gut und eine wahnhaft brutale Geschichte gelesen, die aufzeigt, wie Roland zu dem Mann wurde, den wir aus den Romanen so gut kennen. Diese Comics zeigen, dass Roland trotz seiner rauen Schale ein gutes Herz besitzt, die nur durch die richtigen Menschen aufgebrochen werden muss. Und genau diesen Vorgang zeigen dann die Romane des Zyklus.

Kann die Reihe als Einstieg dienen?
Doch für wen ist diese Comicreihe eigentlich geeignet? Innerhalb des umfangreichen Werks von Stephen King nehmen die Romane um den Dunklen Turm seit jeher eine Sonderstellung ein. Sie sind das Zentrum seines Schaffens, seine Herzensangelegenheit oder wie es oft geschrieben steht, sein Opus Magnum. Die Veröffentlichung dieser Buchreihe erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte und hat trotz eines runden Abschlusses mit dem siebten Buch namens „Der Turm“ immer noch sehr viel zu bieten. Außerdem kann man mit dieser Reihe in meinen Augen vieles aus dem Kosmos, den Stephen King erschaffen hat, erklären. Jede mystische Note, jeder Horror, den er in Maine hat herumspuken lassen, könnte man theoretisch auf den Turm zurückführen, da er doch das Zentrum aller Zeit und allen Seins ist.
Unter diesen Voraussetzungen muss man auch die Comics betrachten, die wie oben beschrieben die ganzen Andeutungen, die Roland zu seiner Vergangenheit einstreut, in Bildform konkretisieren. Daher ist es ratsam diese Reihe nur zu lesen, wenn man mit dem Dunklen Turm vertraut ist und die Geschichte schon kennt. So versteht man beim Lesen viele Anspielungen und „Easter Eggs“ besser als wenn man die Reise zum Dunklen Turm mit den Comics beginnt. Es wäre zwar möglich mit den Comics einzusteigen, aber anraten würde ich nicht. Es würde sehr schnell zu Überforderung und vielleicht sogar Ablehnung zu dieser Geschichte führen, die diese aber sicher nicht verdient hat. Somit kann man am Ende dieser etwas längeren Besprechung ziehen, dass dieses Format eher für Fans des Dunklen Turms geeignet ist und nur bedingt als Einstieg in die Geschichte empfohlen werden kann. Jedoch bin ich mir sicher, dass alle, die Romane um den Dunklen Turm gut fanden, auch mit den Comics etwas anfange können.
Alles schön und gut und wo finde ich diese Comics nun?
Nachdem ich euch allen den Mund schön wässrig gemacht habe, möchtet ihr bestimmt noch wissen, wo ihr diese Graphic Novels herbekommt. Nun, da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen sind die Originalcomics bei Marvel erschienen. Soweit ich das aber bei meiner Recherche erkennen konnte, sind diese nur noch teilweise oder gebraucht beziehungsweise antiquarisch erhältlich. Auf Deutsch habt ihr die Auswahl, diese Comics bei Panini oder beim Splitterverlag in einer besonderen Edition zu erwerben. Soweit ich das überblicken kann, sind die Paniniausgaben noch zu erwerben, die Splitterausgaben dagegen nur noch teilweise. Insgesamt müsst ihr darauf achten, dass ihr 16 Titel kaufen müsstet, um die Sammlung vollständig zu haben. Allerdings wurde die Serie dann mitten in der Geschichte eingestellt, weshalb es sich nur lohnt bis zu Ausgabe „Last Shots“ zu gehen und alles danach zu ignorieren. Im Folgenden habe ich alle Ausgaben in ihrer Erscheinungsreihenfolge gelistet, die auch der Ereignisreihenfolge entspricht. Die Ausgaben, die die obige Besprechung wiederspiegeln, sind dabei fett markiert.Lose an Glas angelehnt und fortgesetzt
Lose an Glas angelehnt und fortgesetzt
- Ausgabe 1 – Der Revolvermann (The Gunslinger Born)
- Ausgabe 2 – Der lange Heimweg (Long Road Home)
- Ausgabe 3 – Verrat (Treachery)Ausgabe 3 – Verrat (Treachery)
- Ausgabe 4 – Der Fall Gileads (The Fall of Gilead)
- Ausgabe 5 – Die Schlacht vom Jericho Hill (The Battle of Jericho Hill)
Entspricht in Auszügen dem Roman Schwarz
- Ausgabe 6 – Die Reise beginnt (The Journey Begins)
- Ausgabe 7 – Die kleinen Schwestern von Eluria (The Little Sisters of Eluria)
- Ausgabe 8 – Die Schlacht von Tull (The Battle of Tull)
- Ausgabe 9 – Die Zwischenstation (The Way Station)
- Ausgabe 10 – Der Mann in Schwarz (The Man in Black)
- Ausgabe 11 – Letzte Schüsse (Last Shots)
Entspricht dem Roman Drei
- Ausgabe 12 – Der Gefangene (The Prisoner)
- Ausgabe 13 – Das Kartenhaus (House of Cards)
- Ausgabe 14 – Die Herrin der Schatten (The Lady of the Shadows)
- Ausgabe 15 – Bittere Medizin (Bitter Medicine)
- Ausgabe 16 – Der Seefahrer (Sailor)