[Rezension]: Frank Berzbach – Die Kunst zu lesen

Frank Berzbach hatte ich als Autor schon etwas länger auf dem Schirm und sehe auch seine Bücher, die bisher von ihm erschienen sind, immer mal wieder über die eigenen Kanäle flimmern und denke mir jedes Mal, ach das wollte ich doch auch noch lesen. Gerade die Dinge, die Kreativität betreffen, machen mich unendlich neugierig, aber ich traue mich da (noch) nicht ran, da kreativ zu sein für mich persönlich auch zwangsläufig gewisse Fertigkeiten mit sich bringen (entweder Malen, schreiben, etwas schaffen) und auf diesen Gebieten habe ich einfach zwei linke Hände beziehungsweise eine Art Blockade im Kopf. Wie oft saß ich zum Beispiel schon da, heftete drei vier Sätze aneinander und dachte mir „och nö, das klingt nicht gut“ und habe es gleich wieder sein gelassen. Wenn es allerdings um das Lesen und die Lesebiographie geht, dann greife ich natürlich zu, denn das ist ein Thema, über das man Schreiben und miteinander reden kann. Mit „Die Kunst zu lesen“ hat Frank ein Buch zu seiner eigenen Lesebiographie herausgebracht und was ich vor dem Lesen von diesem Buch vor allem spannend fand, war, herauszufinden inwieweit seine und meine Lesebiographie übereinstimmten und wie diese Schnittmenge aussehen würde. Darauf gehe ich im nun folgenden Beitrag, der im eigentlichen Sinne keine richtige Besprechung werden soll, etwas detaillierter ein.

Doch im Vorfeld muss ich noch meine eigene Lesebiographie erneut kurz überschlagen, denn ich bin erst recht spät zum „richtigen“ Lesen gekommen (was ist das eigentlich, das richtige Lesen? – auch eine Frage, der man sich stellen sollte) und habe auch nicht den klassischen Weg genommen, was zum einen den ersten acht Jahren meiner Kindheit in der DDR und den dort gängigen Idealen geschuldet war und der Leseunlust während meiner Schulzeit (obwohl manche aus dieser Zeit sicher anderes behaupten würden). Wenn ich abgleiche was manche im Alter zwischen 6 und 18 gelesen haben und dann meine Sachen daneben lege, ergeben sich kaum Übereinstimmungen– ebenso mit der „Leseliste“ die Frank in seinem Buch mit einbringt und seine 100 würdigsten Lektüren aufzeigt. Einzig einen Autor, der in meiner Heimat Sachsen geboren wurde und einen anderen Autor, mit dem ich euch seit drei Jahren kräftig auf die Nerven gehe, habe ich konkrete Bücher, die Frank und ich gemeinsam in ihrer Lesebiographie inne haben (natürlich noch ein paar mehr, aber das sind die zwei essentiellen Schreiberlinge, die mich geprägt haben).

Eine faszinierende, aber überwiegend männlich geprägte Lesebiographie

Das Buch von Frank Berzbach hatte ich parallel mit FrauenLiteratur von Nicole Seifert gelesen, das ich euch vor einiger Zeit hier schon vorgestellt hatte (klick), und war im ersten Moment erstaunt über gewisse Parallelen in der Wahrnehmung der beiden. Auch bei Frank hatte sich auf manchen Seiten die Erkenntnis durchgesetzt, dass Autorinnen viel zu wenig berücksichtigt werden im Literaturbetrieb und diesen auch ihr Platz zusteht. Leider sieht man aber anhand der Leseliste von Frank, dass sich auch bei ihm das Schema Mann in seiner Lesebiographie festgesetzt hat. Das soll an dieser Stelle kein Vorwurf per se sein, denn dieses Lesen hat ihn nun mal bis hierhin geprägt, was aber nicht bedeutet, dass er das ändern kann. Auch meine eigene Lesebiographie ist männlich geprägt, wenn ich aufzähle, wen ich in Jugendjahren und im frühen Erwachsenenalter gelesen habe. Da taucht keine einzige Frau auf und das Bewusstsein dafür wächst nun so nach und nach (danke hier an dieser Stelle auf jeden Fall allen, die in dieser Richtung zum einen Aufklärung leisten und zum anderen dadurch auch bei mir einen mdenkprozess in Gang gesetzt haben). Und auch Frank zeigt in diesem Buch auf, dass er über den Tellerrand hinausschaut.
Dieses Buch ist so aufgebaut, dass Frank jedes Kapitel einer Person widmet, die ihn fasziniert oder geprägt hat in seinem Leseverhalten. Dazu erzählt er Anekdoten, die er mit diesem oder jenem Buch verbindet. Daraus entstehen über den Verlauf des Buches teils ganz spirituelle Abschnitte, in die es einzutauchen lohnt, selbst wenn einem die Bücher, die er vorstellt gar nicht geläufig sind. Anhand dieser ganzen Erzählungen, wie ihn die ganze Literatur bis zum Erscheinen des Buches geprägt hat, wird einem klar, was Bücher in einem drin verändern oder aufbauen können und wie sie ein Teil von unserem Leben sind und bleiben. Da gehören die guten, aber auch die schlechten Bücher dazu.

Ein Buch von einem Bücherfan für Bücherfans

Frank hat mit „Die Kunst zu lesen“ ein Buch geschaffen, dass vornehmlich für Menschen ist, die selber gerne lesen und das Gelesene mit bestimmten emotionalen Zuständen oder gewissen Situationen in Verbindung bringen. Aber vielleicht ist es auch für diejenigen, die das Lesen erst (wieder)erlernen möchten und sich anhand dieser Lektüre zu einem gewissen Stil des Lesens inspirieren lassen wollen. Der Weg, den Frank in seiner Lesebiographie gegangen ist, ist ein individueller, so wie meiner auch einer war/ist, was ich anhand der eingangs erwähnten Übereinstimmungen deutlich machen wollte, die seine Leseliste und meine ergeben. Da sind eigentlich nur zwei Namen vorhanden, die er in seiner 100er Liste aufgenommen hat und die auch bei mir da auftauchen würden – Erich Kästner und Stephen King. Selbstverständlich sind da auch noch andere Namen vorhanden, die auch mir bekannt sind und die ich schon entdeckt habe oder noch entdecke, so wie zum Beispiel Nino Haratischwillis „Das achte Leben“, bei dem ich jedes Wort, was er da vorbringt, unterschreiben würde. Um auf Erich Kästner und Stephen King zurückzukommen, da sind meine Präferenzen, diese bei mir einzuordnen, anders gelagert im Vergleich zu Frank. Und wenn jemand drittes dazu kommt, der hat wieder andere Autor*innen und Werke, die wichtig für sie/ihn waren , sind und bleiben.

Und so entsteht ein interessantes Bild im Kopf von einem Buch über das Lesen, die Faszination daran und wie die eigenen Lesemomente, die sich im Kopf eingebrannt haben, während dem Lesen wieder hervorbrechen und trotz dem genannten Ungleichgewicht zwischen Autorinnen und Autoren ist „Die Kunst zu Lesen“ eine faszinierende und lohnenswerte Lektüre, um auf das Leseverhalten eines anderen Menschen zu schauen, aber vornehmlich auch, um sein eigenes Leseverhalten und das bisherige Leseleben zu reflektieren.

P.S.: Diese Besprechung habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben, als das Buch von Frank relativ frisch erschienen ist. Und trotz dessen, das die Lektüre schon einige Zeit zurückliegt, ist dieses Sachbuch eines, das immer noch nachwirkt bei mir. Zwar nicht im Detail, aber in seiner Art und Weise. Dazu muss ich noch erwähnen, dass dieses Buch eine wirklich schöne Gestaltung aufweist. Angefangen von der Umgschlaggestaltung bis hin zur Papierqualität und der Bindung des Buches. Ein wirklicher Augenfang in jedem Buchregal und richtig schönes Geschenk an all jene, die gerne lesen.

Frank Berzbach
Die Kunst zu lesen – Ein Literaturverführer

Eichborn Verlag
224 Seiten
20 Euro


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